Was ist ein Behindertentestament?

Unter einem Behindertentestament versteht man eine Verfügung von Todes wegen, die von Eltern zugunsten von körperlich oder geistig behinderten Kindern Kinder abgefasst werden kann und besondere Regeln zum Schutz des Vermögens für das behinderte Kind enthält und einen Sozialhilferegress ausschließt.

Menschen mit Behinderung beziehen häufig Sozialleistungen, die von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen abhängen. Erwirbt der Betroffene eine Erbschaft, entfällt dadurch regelmäßig die Berechtigung für die Sozialleistungen, da zunächst das Eigenvermögen des Betroffenen bis zu einem geringen Schonvermögen aufgebracht werden muss. Erst wenn das geerbte Vermögen entsprechend aufgebraucht ist, können Sozialhilfeleistungen wieder bezogen werden. Dadurch wird dem Betroffenen ein qualitativer Nutzen der Erbschaft verwehrt.

Das Ziel des Behindertentestamentes besteht darin, dem Erben trotz seiner Erbschaft die staatliche Unterstützung zu erhalten, ohne dass das geerbte Vermögen eingesetzt werden muss, um daraus qualitative Verbesserungen in der Lebensführung des Betroffenen zu ermöglichen. Die Regelungen eines Behindertentestamentes sind sehr komplex und sollten nicht ohne fachliche Unterstützung aufgesetzt werden.

Dem Grunde nach wird dabei eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet, wobei das behinderte Kind als sog. unbefreiter Vorerbe eingesetzt wird. Als Nacherben können beispielsweise die Geschwister des betroffenen Kindes eingesetzt werden. Der Anteil des Vorerben muss dabei in einer Höhe gewährt werden, die geringfügig über der Pflichtteilsquote des Betroffenen liegt, damit eine Ausschlagung gem. § 2306 BGB nicht gerechtfertigt ist.

Gleichzeitig wird eine Testamentsvollstreckung über die Vorerbschaft angeordnet in Form einer Dauerverwaltung des Erbes, womit dem betroffenen Kind die eigene Verfügungsmacht über die Erbschaft entzogen wird. Der Testamentsvollstrecker verwaltet das Vermögen gemäß den Anweisungen im Testament und darf dem Kind regelmäßige, nicht pfändbare Zuwendungen oder Zuschüsse aus dem Erbe gewähren, soweit diese nicht auf Sozialleistungen angerechnet werden. Im Testament werden verschiedene Zwecke, Anlässe und Gelegenheiten benannt, zu denen der Testamentsvollstrecker Zuwendungen aus dem Erbe gewähren darf.

Beispiele: Therapien, Medizinische Behandlungen, Bildung, Anlassgeschenke zu Geburtstag/Weihnachten/Ostern etc., Urlaube, Ausflüge oder Hobbys

Der Bundesgerichtshof hat mittlerweile mehrfach entschieden, dass die Regelungen im Behindertentestament, die rechtlich zu Lasten der Allgemeinheit wirken, nicht sittenwidrig gem. § 138 BGB sind (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1993 – IV ZR 231/92 –, BGHZ 123, 368-379).

Auch ein Pflichtteilsverzicht eines (geschäftsfähigen) behinderten Kindes ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes grundsätzlich nicht sittenwidrig (BGH, Urteil vom 19. Januar 2011 – IV ZR 7/10 –, BGHZ 188, 96-109).